Die Reise des Adlers - Teil 1

Die Reise des Adlers - Teil 1

Morgennebel bei St. Johann im Saggautal

Steiermark

Morgen für Morgen hebt sich die Nacht vom Land.

Ruhig und langsam fließt die Zeit.

Auch wenn du deine eigene Schlagzahl erhöhst,
bis du den Takt deines Herzens nicht mehr spürst.

Was aber ist Dein Maß gegen das der Natur?

Der Fluss der Zeit folgt einem viel größeren Rhythmus:
dem des Lebens an sich.

Pyramidenkogel

Kärnten

An klaren Tagen ist er weithin zu sehen – von Velden aus – natürlich von Pörtschach – und auch von Klagenfurt:
Der Aussichtsturm auf dem Gipfel vom Pyramidenkogel an der Südseite des Wörthersees.
Einhundert Meter hoch reckt sich der hölzerne Turm in den Himmel, um mit den Wolken zu spielen.
Und elegant wendet er sich um seine eigene Achse. Möchte er die Landschaft betrachten, die ihm zu Füßen liegt
oder folgt sein Blick dem Lauf der Sonne, wenn sie zärtlich über die Baumwipfel streicht?

Morgenstimmungen westlich der Rax

Niederösterreich

Am frühen Morgen im Gebiet der Rax.

Wenn der Wind die Wolken dahintreibt
und die Berge an ihrem Platze bestehn:
Dann lern von den Wolken das Weiterziehn
und von den Bergen wie Bleiben gelingt.

Wenn der Wind die Wolken neu formt
und die Berge still in sich ruh’n:
Dann lern von den Wolken Vergänglichkeit
und von den Bergen wie Beständigkeit glückt.

Preber, Lärchenwald

Steiermark

Am Preber in den Schladminger Tauern. So ein Herbsttag muss es gewesen sein, den Peter Rosegger beschreibt:
„Die Nebelbank über dem Gebirgszuge wurde schmächtiger, es ging ihr ans Herz, noch streckte sie einen glühenden Speer aus,
der ging mitten durch die Sonne, aber er schmolz und die Sonne wurde kleiner und funkelnder und bald war die Wolkenbank,
waren die roten Fäden am Gesichtskreise verschwunden. Hier und da in der weiten Himmelsrunde hing es wohl noch wie
weiße Wolle und dort und dort schwamm ein Federchen hin, aber bald gingen auch die Federchen verloren und die
Wolle wurde unmerklich langsam auseinandergezupft in leichten Locken und dünnen Fädchen – und auf einmal war gar
nichts mehr da als der tiefblaue Himmel und der blitzende Sonnenstern.“

Traunstein Gipfel

Oberösterreich

Über dem hellen Wolkenmeer, an einem dieser Tage, wenn das Weiß des Winters schon mit leichter Hand die Berge berührt hat und mit dem Grün
von Fichten und Latschen spielt, schauen hier oben am Traunstein zwei Hütten in diesen kaltklaren Morgen: Die Gmundner Hütte und das Traunsteinhaus.
Sie sitzen auf den Schultern des Wächters vom Salzkammergut und blicken über den Traunsee und das Tote Gebirge bis zum Dachstein und weit in die Ewigkeit.

Alpenvorland

Oberösterreich

Der Morgen im Alpenvorland.
Im Land vor den Alpen.
In der Zeit vor dem hellen Tag.
Noch liegt der Nebel in den Tälern,
doch seine Ränder verweben sich bereits zart wie Stickerei.

Burgruine Staatz

Niederösterreich

Die Burgruine Staatz im nördlichen Weinviertel.
Ihr Burgberg erhebt sich so gemächlich aus der Ebene, als wollte er den ruhigen Fluss von Feldern und Weingärten nicht mutwillig stören.

Es gab aber auch andere Zeiten. Als die Burg im 11. Jahrhundert errichtet wurde, sollte sie das Land vor Angriffen schützen.

Aber wer heute hier her kommt, kommt nicht mit kriegerischen Absichten, sondern kulinarischen. Wegen des guten Weines.

Defereggen Gebirge, Oberstalleralm

Tirol

Hier - im Defereggen Gebirge liegt die Oberstaller Alm.
Ihre 16 Hütten scharen sich um die Schutzengelkappelle, sie sind denkmalgeschützt.
Von Mai bis Oktober kann man sie mieten, denn so bezaubernd kann das Nichts sein.

Schönbrunn

Wien

Der Weg war schon zur Zeit der Kutschen lang. Um wieviel länger ist er heute zu Fuß. Etwa zweihundert Meter muss man vom Eingangstor bis zum Hauptgebäude von Schloss Schönbrunn zurücklegen.

Und erst dann lässt sich erahnen, was einen dahinter erwartet: Barocke Gartenlust.

Mit künstlichen Ruinen, einem Labyrinth und einem Tiergarten.

Um Abwechslung zu bieten.

Kaiserin Maria Theresia ließ den Park gestalten. Ganz im Geiste der Zeit als Liebeserklärung an Symmetrie und Geometrie.

Für all das brauchte es Überblick. Von der Gloriette aus hat man ihn. Und genießt ihn noch heute.

Ankogel Gipfel

Kärnten

In der Ankogelgruppe in den Hohen Tauern.
Zu Füßen liegen das Gasteinertal im Nordwesten und das Maltatal im Osten.
Die Bergwände aus Gneis und Schiefer spielen in allen Nuancen von Grau.
Wie von Naturgewalt zerschlagen, scheinbar willkürlich geschichteter Fels.
Stein auf Stein. Tausende Meter hoch.

Millstätter See

Kärnten

Der Millstätter See ist zwar nur der zweitgrößte See von Kärnten, aber dafür der Tiefste.
Der Name soll sich vom slawischen Wort Melissa ableiten, das bedeutet Bergbach.
Und immerhin münden dreißig Bäche in den See, die meisten davon am Nordufer, wo auch die meisten Ortschaften liegen.
Während die Südseite vor allem der Natur gehört.

Weide oberhalb der Gramaialm

Tirol

Westlich vom Achensee, im Karwendelgebirge.
Eine Weide oberhalb der Gramaialm.

Wenn ein Mensch hier heraufsteigt, tut er das meist, um die Landschaft, die Aussicht und die Bewegung zu genießen.
Warum aber werden Kühe in dieses steile, unwegsame Gelände getrieben?
Sind Gras und Kräuter hier köstlicher als im Tal?
Können sie hier ungestörter weiden?
Geben Sie dann noch schmackhaftere Milch?
Oder muss auf jeder österreichischen Wiese einfach eine Kuh stehen?!

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich.

Dürnstein

Niederösterreich

Dürnstein in der Wachau. Ein Ort wie aus einem Märchen.
Und tatsächlich rankt sich auch eine Sage um ihn.

Es war einmal: Vor fast tausend Jahren.
Da nahm der österreichische Herzog Leopold V. den englischen König Richard Löwenherz gefangen und sperrte ihn in Dürnstein ein.
England trauerte, und niemand wusste, auf welcher Burg sich der König befand.
Doch der Troubadour des Königs, ein Sänger namens Blondel, beschloss ihn zu suchen.
Er reiste von Burg zu Burg und stimmte vor jeder Festung das Lieblingslied des Königs an.
Und siehe da, in Dürnstein hatte er Glück.
Kaum war seine erste Strophe verklungen, ertönte die zweite aus der Burg. Blondel hatte den König gefunden.

Nun, auch wenn sich die Dinge wohl anders zugetragen haben.
Dürnstein und seine Sage sind so eng verbunden wie König Richard Löwenherz und sein Sänger Blondel.

Dorferkees

Tirol

In Osttirol, wo das Hinterbichler Dorfertal vom Dorferkees beherrscht wird.
Seine schneefreien Flecken werden immer mehr.
„aper“ sagt man dazu in den Bergen.

Der Wind schleift den nackten Fels ab,
gräbt Furchen, poliert ihn nach Gutdünken.
Zurück bleiben steinerne Formationen,
nicht angelegt irgendeinem Blick zu schmeicheln.
Und das einzige, was noch weich ist,
ist die Farbe des Lichts.

Lawine

Kärnten

Am Anfang will niemand es wahrnehmen,
auch wenn die ersten Zeichen schon deutlich erkennbar sind.
Es beginnt sacht. Fast noch als Nicht-Bewegung.
Aber trotzdem gerät es leise aus den Fugen.
Erst ist es nur ein Zittern, feines Vibrieren, das immer größer wird,
bis es seinen Halt verliert und ins Rutschen kommt.

Brunnsee

Steiermark

In der Nähe von Wildalpen liegt der Brunnsee.
Aus den Quellen in diesem Gebiet sprudelt das Wasser, das die Wienerinnen und Wiener trinken.
Über die II. Wiener Hochquellenwasserleitung fließt es in die Bundeshauptstadt.
Die Betriebsleitung Wildalpen, von wo aus das Quelleneinzugsgebiet kontrolliert wird,
gilt als beliebtester Arbeitsplatz der Wiener Magistratsabteilung 31.
Wegen der Naturschönheit und der Ruhe.

Mittlerer Gosausee

Oberösterreich

In Gottes Auge spiegelt sich der Dachstein. Denn „Auge Gottes“ wird der vordere Gosausee auch genannt.

Der kleine See ist ein Überbleibsel aus der Eiszeit. Er entstand, als sich die Eismassen zurückzogen.
Aber noch immer wird er aus Quellen im Gletschergebiet des Dachsteins gespeist.

Besonders beliebt ist er bei Tauchern. Was eigentlich schade ist, weil man unter Wasser
die berühmte Spiegelung vom Dachstein natürlich nicht sieht.
Dafür Elritzen, Regenbogenforellen und Hechte.

Völkermarkter Stausee Brücke

Kärnten

Südlich von Völkermarkt wurde die Drau in den 1960er Jahren aufgestaut.
Der Fluss wurde zum See gemacht, knapp 20 Kilometer lang.
Seine Strömung ist kaum noch merkbar.
Dafür fließt jetzt der Verkehr von Ufer zu Ufer.

Ennstal bei Schladming mit Blick nach Westen

Steiermark

Das Ennstal bei Schladming, mit Blick nach Westen, in einem Augenblick zwischen Wachen und Träumen.

Rainer Maria Rilke:
„Eben bin ich so sanft erwacht.
Ich dachte, ich würde schweben.
Bis wohin reicht mein Leben,
und wo beginnt die Nacht? 

Ich könnte meinen, alles
wäre noch Ich ringsum;
durchsichtig wie eines Kristalles
Tiefe, verdunkelt, stumm.“

Wilder Kaiser

Tirol

Zwischen Kufstein und St. Johann in Tirol liegt das Kaisergebirge.
Es wird von zwei markanten Gebirgsgruppen bestimmt: Dem Wilden und dem Zahmen Kaiser.

Seine schroffen Wände sind eine Herausforderung für jeden Kletterer.
Weshalb Kletterpioniere vor hundert Jahren völlig neue Techniken entwickeln mussten, um sie zu bezwingen.

Die schwierigste Route wurde sogar erst 1994 gemeistert, und seither nur wenige Male.
Ihr Name: „Des Kaisers neue Kleider“.

Lechtal Mündung Schwarzwasserbach

Tirol

Im Außerfern, wo der Schwarzwasserbach in den Lech mündet.
Der Name Lech kommt aus dem Keltischen und bedeutet: „Der Steinige“.
Und tatsächlich führt der Fluss bei seinem Weg durch die Alpen jede Menge Geröll mit sich.
Türmt es zu Inseln und muss es wieder umfließen.
Verbaut sich selbst den Weg und trägt dennoch den Fels weiter.
Fluss und Stein verbunden wie ein altes Paar.
Sie sind so ungleich und meistern doch ihren gemeinsamen Weg.

Melk Abend

Niederösterreich

Fährt man die Donau stromabwärts, wird man am Beginn der Wachau vom Stift Melk begrüßt.

Der prunkvolle Bau verdankt seine heutige Gestalt dem Barockbaumeister Jakob Prandtauer.
Er ist jedoch wesentlich älter.
Denn schon vor mehr als tausend Jahren, genau gesagt im Jahr 976,
errichtete der Babenberger Markgraf Leopold I. hier seine Residenz.

Aber was sind schon tausend Jahre?
Heißt es nicht in der Bibel:
„Für Gott sind tausend Jahre wie ein Tag.“

Wienerwald Steinhofkirche

Wien

Als letzter Ausläufer der Alpen grenzt der Wienerwald an Wien. Am Wochenende zieht es die Menschen hinaus auf seine Hänge.
Wen wundert’s: Hat man von hier doch einen prachtvollen Blick auf die Stadt. Und so manches Schmuckstück verbirgt sich in seinem Grün.
Etwa die Jugendstilkirche zum Heiligen Leopold auf der Baumgartner Höhe. Besser bekannt als Otto-Wagner-Kirche am Steinhof.

Pfänder, Bregenz, Bodensee

Vorarlberg

Es wird Abend im Bregenzer Wald.
Die Sonne legt noch einen Hauch von Violett über die bewaldeten Hügel, und dem Bodensee gibt sie ein zartes Rosé.
Am Seeufer erhebt sich der Pfänder wie ein Wächter von Bregenz.
Tausend Meter ist er hoch und sein Gipfel ein beliebtes Ausflugsziel.
Sieht man von hier aus doch weit in vier Länder hinein.

Fruschnitzkees

Tirol

Am Fruschnitzkees im Glocknergebiet. 

Wenn es Abend wird,
streift das Licht
dem Berg
den Tag von den Schultern,
und er zeigt Dir
sein anderes Gesicht:

mit weichen Kanten
und sanften Falten,
mit fließendem Eis
und verletzlichem Fels.

In einem so feinzarten Moment
tritt das Wesen hinter dem Wesen der Dinge
hervor 

und du verstehst vielleicht,
wer du bist
und warum.

Dachstein Gipfel

Oberösterreich

Der Dachstein. Von der ersten Frau auf seinem Gipfel kennt man nur den Vornamen: Nanni.
Sie war Sennerin und begleitete 1843 eine Expedition. Wie sehr sie sie dieses Erlebnis überwältigt, beschreibt der Expeditionsbericht:
„Dann stieg plötzlich wie aus der verborgensten Tiefe ihres Inneren die erwachte Seele in ihr glänzendes Auge und ein Gemisch von
kindlicher Freude und Verklärung verbreitete sich über ihr Gesicht. Zwei glänzende Tränen stahlen sich hinter den dunklen Augen
hervor und rollten langsam über die sonnenverbrannte Wange. Aber als schäme sie sich dieses Gefühls, sprang sie auf die höchste
Felsplatte und jubelte nun unausgesetzt hinab in die sie umringenden Abgründe.“
Und ganz ehrlich – wer jubelt hier nicht beim Anblick von so viel Schönheit?